„Frag 5 Aquarianer und du bekommst 6 Meinungen“ ist ein gängiger Spruch, den vor allem Anfänger in der Aquaristik nennen, wenn sie ihre Erfahrungen in Foren oder speziell auch auf Facebook beschreiben. Doch selbst als langjähriger Aquarianer frage ich mich manchmal, ob es tatsächlich sein kann, dass andere Besitzer von Aquarien so grundsätzlich andere Erfahrungen mit den von ihnen gehaltenen Zierfischen gemacht haben, wie ich und das, obwohl ich doch scheinbar die gleichen Arten in einem sehr ähnlich gestalteten Aquarium halte oder gehalten habe und auch die Vergesellschaftung sehr ähnlich war.
Andere Meinungen und Erfahrungen akzeptieren
Viele Aquarianer und ich muss zugeben, dass ich mich auch selbst so verhalten habe, versuchen nun die Erfahrungen und Meinungen der anderen Mit-Aquarianer wegzudiskutieren. Schließlich ist jeder davon überzeugt, dass die eigene Meinung, die auf einer nachprüfbaren Erfahrung beruht, die einzig richtige sein muss. Spätestens hier darf jeder Aquarienbesitzer bei sich selbst einhaken und sich die Frage stellen: Kann es nicht sein, dass etwas, das in meinem Aquarium auf eine bestimmte Weise funktioniert hat, in einem anderen Aquarium anders funktionieren oder im schlimmsten Fall sogar überhaupt nicht funktioniert? Die Selbsterkenntnis darf lauten: Ja, das kann schon mal vorkommen und dann denken wir einfach einen Schritt weiter: Wieviele genau gleiche Aquarien gibt es auf dieser Welt? Richtig! Kein einziges Aquarium gleicht dem anderen bis ins letzte Detail. Zwei Erkenntnisse, die es, wenn man sie sich immer wieder vor Augen hält, unmöglich machen, andere Meinungen und Erfahrungen zu klassifizieren oder sogar abzuwerten. Hier geht auch keine Demokratie! Es ist nicht so, dass wenn sich 5 Aquarianer zu einem Thema einig sind, 4 andere einfach überstimmt werden können, die damit eine falsche Meinung haben oder zumindest so lange im Unrecht sind, bis sie wieder 2 andere aufgetrieben haben, die die Meinungshoheit verschieben helfen.
Die einzige objektive Möglichkeit ist es, andere Meinungen als Wahlmöglichkeiten zuzulassen, nach denen sich Fragesteller in Foren orientieren können.
Beratungsresistenz gerade bei Neu-Aquarianern weit verbreitet?
Aquarianer werden nicht müde auf immer wieder sehr ähnlich gestellte Fragen, immer gleiche Antworten zu geben und zu erwarten, dass die Antwort auf eine Frage sofort als Ratschlag interpretiert in die Praxis umgesetzt werden würde. Das passiert selbstverständlich nicht. Eine Frage zieht oftmals einen bunten Strauß unterschiedlichster Tipps nach sich, die sich teilweise gegenseitig ausschließen oder in völlig unterschiedliche Richtungen laufen. In der Praxis also überhaupt nicht zu 100% umsetzbar sind. Zurück bleiben enttäuschte Tippgeber, die hinter der Entscheidung des Beratenen zwischen den unterschiedlichen Optionen und gegen den eigenen Tipp eine Beratungsresistenz vermuten und dies auch lautstark kund tun. Dabei ignorieren sie allerdings das Dilema des Beratenen, der es nicht jedem seiner Berater recht machen kann und auch nicht muss. Statt dessen fahren sie eine persönliche Attake gegen den Fragesteller und dabei ist der Vorwurf der Beratungsresistenz noch eine eher glimpfliche Form der persönlichen Beleidigung. Solche Aussagen sind nicht selten der Start eines Shit-Storms, der schnell beim Thema Tierquälerei ankommt.
Das ist ein Verhalten, das zwischen erwachsenen Menschen im Grunde nicht sein muss, bzw. darf. Hier ist ein Stück weit hilfreich sich darauf zu besinnen, dass der Fragesteller zum einen nach seiner individuell besten Option handelt und auch er das Beste für sein Aquarium und seine Fische will und mangelnde Erfahrung niemanden vorgeworfen werden kann. Ziel sollte immer sein den Fragesteller mit seiner aktuellen Frage bestmöglich zu helfen. Diskussionen über Meinungen sind dazu sehr sehr selten wirklich hilfreich.
Was hilft wirklich?
Um ein Problem in den Griff zu bekommen, ist es meistens sehr hilfreich, das große, meist eher unklare Problem in kleinere Einzelteile aufzugliedern. So lassen sich auch für einen Anfänger überschaubare Einheiten schaffen, bei denen jeder Aquarianer das Gefühl hat, sie beherrschen und beheben zu können. Kleine Lösungen sind auch für Zwischenschritte schon erfolgversprechend und können vielleicht auch schon den Gesamterfolg in Form der Lösung des Gesamtproblems bringen. Wie kriegt man ganz allgemein Probleme klein? Erfolgreiche, langjährige Aquarianer kennen das. Es ist ein Frage- und Antwortspiel, das sie meist mit sich selbst spielen (können), da sie die Antworten auf Basis ihrer großen Erfahrung bereits kennen. Es wird ein Fragenkatalog durchgespielt, der meist recht ähnlich ist: „Kann es an den Wasserwerte liegen?“, „Wurde im Aquarium etwas verändert?“, „Sind neue Fische dazugekommen?“ und viele andere mehr schließen Optionen aus, die das Problem am Ende so weit eingrenzen, dass die Lösung geschaffen werden kann. Die Fragen alleine können oft bereits die Lösung sehr genau andeuten und deshalb ist es wirklich eine sehr gute Idee, dem Fragenden zunächst Fragen zu stellen, statt schnelle Antworten zu liefern, die meist am tatsächlichen Problem vorbeigehen müssen. Oft lernen Anfänger daraus auch, welche Fragen die tatsächlich wichtig sind, um beim nächsten Mal ein Problem selbst lösen zu können oder zumindest bereits konkretere Fragen stellen zu können.
Fazit: Es geht um die Art und Weise der Kommunikation
Statt zu glauben, dass es bei Sprache nicht auf die Details ankommt, darf sich jeder, der sich in (Aquaristik-)Foren oder auf Facebook bewegt, darüber klar sein, dass Sprache das wesentliche Element im Umgang miteinander ist. Sprache kann Emotionen lenken und helfen, Lösungen zu finden. Sie kann auch dazu führen, dass Emotionen aus dem Ruder laufen und regelrecht zu Aggressionen werden und so die Lösungsfindung verhindern. Doch selbst solche Aggressionen sind ein Feedback auf das eigene Kommunizieren und dürfen gerne so interpretiert werden, dass beim nächsten Mal etwas zu ändern ist, was beim anderen nach Möglichkeit keine Aggressionen auslösen wird. Daran darf jeder Aquarianer arbeiten und selbst denjenigen, die glauben, die Kommunikation bereits zu beherrschen sei gesagt: Es geht immer noch ein bißchen was. Ein bißchen mehr Freundlichkeit, bißchen mehr zuhören, bißchen mehr Lösungsorientiertheit. Das bringt alle einen Schritt weiter. Nicht nur in der virtuellen Aquarianerwelt.
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Naja, das muss man nicht einmal auf Aquaristik beziehen. Das kann man auf alles beziehen, bei dem es um Beratung und die annahme jener geht. Ich glaube, das ist eine typische Forenkrankheit.